Religiosität im Wandel: Religionsunterricht vor 100 Jahren und heute

Zusammen mit unserer Schule feiern auch die Staatskirchenverträge 100. Geburtstag. Unter anderem wurde in ihnen festgehalten, dass Religionslehre als ordentliches Unterrichtsfach in allen Schulgattungen gilt. Gottseidank. Natürlich hat sich der Religionsunterricht in den letzten Jahrzehnten ständig entwickelt. Aber er war den Vätern unseres Grundgesetzes so wichtig, dass er bis heute als eine der sogenannten „gemeinsamen Angelegenheiten“ („Res mixtae“), bei denen Kirche und Staat zusammenarbeiten, fest verankert ist:

Am Staffelseegymnasium ist der Religionsunterricht quasi von der Geburtsstunde an ökumenisch. Begonnen hat nämlich alles mit der Gründung eines evangelischen Schulvereins im Januar 1924 und dem Beginn des Schulunterrichts an der evangelischen Höheren Mädchenschule im Mai desselben Jahres für neun Kinder. Seit 1938 werden auch Jungen unterrichtet, die Schule ging in die Trägerschaft der Marktgemeinde über, der Schulverein wurde aufgelöst, 1958 wurde die Oberrealschule verstaatlicht die Schule 1975 in Staffelsee-Gymnasium umbenannt.

In einem Gespräch erinnert sich eine 97-jährige Dame, dass es damals durchaus eine Besonderheit darstellte, dass der Religionsunterricht wie jeder andere reguläre Unterricht am Vormittag stattfand, während die Generation vorher noch zur Sonntagsschule musste, um religiöse Bildung zu bekommen. Diese sah freilich etwas anders aus als heutzutage – es handelte sich vor allem um einen Katechismusunterricht, bei dem der Lehrer (meist der Pfarrer) Fragen stellte und die Schüler und Schülerinnen (meist im Chor) antworten mussten. Bis heute schätzen Christen dieses Auswendiglernen von Liedtexten, die gerade im Alter als Trost empfunden werden. Auch körperliche Züchtigung war vor 100 Jahren im Religionsunterricht wie überhaupt in der Schule noch kein Tabu.

Da hat sich einiges geändert! Heutzutage kommt es auch weniger darauf an, theologisches Wissen zu vermitteln als vielmehr auf eine Möglichkeit, über die eigenen ethischen und moralischen Werte nachzudenken, die dem Individuum helfen können, das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen zu bewältigen und die dazu beitragen, dass Einzelne in einem sozialen Gefüge zurechtkommen. Dazu trägt im Religionsunterricht auch wesentlich die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen bei. Heutzutage ist es wichtiger denn je, den interreligiösen Dialog zu fördern, um ein besseres Verständnis und Toleranz zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen zu schaffen. Eine solche Denkweise kann auch zu kritischer Auseinandersetzung mit allen Meinungen in unserer pluralistischen Gesellschaft führen.

Am Staffelsee Gymnasium ist die Beschäftigung mit dem Islam sowie dem Judentum seit Jahrzehnten fest etabliert: Die Schüler und Schülerinnen der siebten Jahrgangsstufe besuchen eine Moschee, die der neunten eine Synagoge.

In einigen Gottesdiensten und Andachten versuchen wir immer wieder das Bewusstsein für Religiosität wachhalten.

„Die Frühschichten im Advent und vor Ostern sind eine gute Möglichkeit mit einem kurzen Impuls entspannt in den Tag zu starten. Die leckeren Butterbrezen zum abschließenden gemeinsamen Frühstück sind ein Highlight.“

Marina, 10. Klasse

Den zentralen christlichen Wert der Nächstenliebe setzen wir an unsere Schule besonders in der Gruppe SGMsozial um, die – vor allem durch Einnahmen vom Catering bei diversen Veranstaltungen – regelmäßig Patenkinder in verschiedenen Ländern weltweit unterstützt, aber auch hilft, wenn irgendwo akute Not herrscht.

Als Projekt der Mittelstufe organisieren die Religionslehrkräfte ein Sozialpraktikum, bei dem unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur anderen helfen, sondern auch einiges über die eigene Persönlichkeit in Erfahrung bringen können. Das zeigen auch die folgenden Statements:

Das Sozialpraktikum hat mir eine Möglichkeit gegeben, einen Beruf außerhalb meiner Interessenfelder kennenzulernen. – Maria Neuner (Kindergarten Unterammergau)
Das Sozialpraktikum war eine bereichernde Erfahrung. – Veronika Reitmayer (Grundschule Weilheim)
Das Sozialpraktikum hat mir die Möglichkeit geboten, einen interessanten und wichtigen Beruf kennenzulernen. – Matilda Vogt (Kindergarten Bad Kohlgrub)
Das Sozialpraktikum war sehr lehrreich. – Agon Hoxha (Dialysezentrum Murnau)
Das Sozialpraktikum hat mir die Möglichkeit geboten, einen interessanten Beruf auch aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. – Viktoria Uhr (Grundschule Eschenlohe)
Das Sozialpraktikum hat mich in meinem zukünftigen Berufswunsch bestärkt. – Elena Kunstmann (Sonderpädagogische Grundschule Weilheim)
Das Sozialpraktikum war eine tolle Erfahrung. – Lisa Schwarzer (Kindergarten Oberhausen)
Das Sozialpraktikum hat mir bei meiner Berufsfindung geholfen. – Linnea Nick (Kindergarten Murnau)

Aussagen von Schülerinnen und Schülern aus der jetzigen Q12

Im Zuge des Lehrplanthemas „Glaube und Vernunft- alte und neue Herausforderungen“ haben sich Schülerinnen und Schüler mit der Frage, ob es in der heutigen Zeit es noch zeitgemäß ist, dass an staatlichen Schulen Religionsunterricht erteilt wird auseinandergesetzt. Hier einige Statements von Schülern der Klassenstufen 11 und 6:

Neben den Idealen der Aufklärung (dem Begriff der Mündigkeit, und die Vorrangstellung der Vernunft) stand ausgehend vom Bildungsideal Humboldts der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Gymnasiums und der Art 131 der Bayerischen Verfassung im Mittelpunkt, in dem es heißt:

Vor hundert Jahren wurde noch jede Religionsstunde mit einem Gebet begonnen und beendet. Das ist in Vergessenheit geraten. An dieser Stelle aber sei Gott gedankt für all die Jahre, in denen Religionslehre als ordentliches Unterrichtsfach galt. Mögen noch viele Generationen in den Genuss ganzheitlicher Bildung am Gymnasium kommen.

Verfasser: Barbara Bierprigl und Antonia Mangold