Englisch: „He, she, it – das „s” muss mit!”

Vielleicht weiß nicht mehr wirklich jeder, wo das „S“ denn nun genau mitmuss, aber Merksprüche wie dieser scheinen sich metertief in das Gedächtnis ehemaliger Englischschüler eingebrannt zu haben. Sie erzeugen oberflächlich auch den Eindruck, dass sich der Englischunterricht am Gymnasium über die Jahre  nur wenig verändert hat. Doch wie falsch man da liegt, zeigt allein ein Blick in die Klassenzimmer heutiger Englischschüler: Authentische Audiotracks, interaktive Lernaufgaben, aktuelle Lesetexte und Filmmaterial, digitale Lernspiele – schon die Bandbreite an Lernmöglichkeiten, die heutigen Schülerinnen und Schülern zu Verfügung steht, hat nur noch sehr wenig mit den bilderlosen Lehrbüchern unserer Großelterngeneration zu tun. Und doch –  das „Lehrbuch“ hat inmitten der Flut der multimedialen Angebote überlebt!

Aber auch dieses oft so nachlässig zwischen Pausenbrot und Wasserflasche eingeklemmte „Englischbuch“ hat in seiner Ausgestaltung einen enormen Wandel durchlaufen. Wie sehr diese Veränderungen über die Jahrzehnte den Wandel der Gesellschaft und der Welt der Schüler widerspiegeln, zeigt ein kurzes Querlesen verschiedener Lehrwerke seit Gründung unserer Schule 1924.

Ein bayerisches Englisch-Lehrbuch von Dr. Alfred Bernhard aus dem Jahr 1927 war noch gänzlich unbebildert und mangels begleitenden Hörmaterials mit seitenlangen Erklärungen zur englischen Lautbildung ausgestattet. Interessant ist aber, dass dieses Lehrbuch aus der Zeit der Weimarer Republik die Lernenden bereits unmittelbar nach einer ersten Beschreibung ihres Klassenzimmers auf Englisch die Formen von „sein / (to) be“ an Sätzen zur eigenen republikanischen Verfasstheit ihres Herkunftslandes üben ließ.

Ein paar Jahre später, 1938, war derselbe Autor in einer Neuauflage seines Lehrbuchs (nun unter dem Titel „Lehrbuch für die Deutsche Jugend“) „an die vom Reichsministerium herausgegebenen Richtlinien“ gebunden. Diese bescherte den Schülerinnen und Schülern neben kurzen „inhaltsvolle[n] Erzählungen aus Sagen, Geschichte und Alltag“, die „die englische Art schon deutlicher hervortreten“ ließen, auch Lieder, Gedichte und Sonderlesestücke, die speziell „dem Gedankenkreis der Mädchen naheliegen“. Das nationalsozialistische Gedankengut, das auch im Englischunterricht vermittelt werden sollte, trat in den Lehrbuchttexten deutlich zu Tage. Wieder hatten sich die bayerischen Schüler bereits in ihren ersten Englischstunden in zwei Kapiteln für die deutsche Fahne zu interessieren. Diesmal jedoch für den Respekt, der besonders der Hakenkreuzfahne entgegenzubringen war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft vermittelten die bayerischen Schulbücher nach ihrer Genehmigung durch die US-Militärregierung den Englisch lernenden Jugendlichen eine gänzlich veränderte Welt. Anknüpfend an ihre Erlebnisse in Luftschutzbunkern und ihr Aufwachsen zwischen Ruinen, wurde den Schülern in dem englischen Lesetext „On Airplanes“ z.B. klar gemacht, um wieviel angenehmer in Friedenszeiten doch nun die Sichtung von Flugzeugen sei (vgl. Abb. 3: Holl: 1946, S.63).

Der beschleunigte Wandel in der Arbeitswelt und der Gesellschaft wird 1946 nun auch anhand von Einblicken in das London der Nachkriegsjahre verdeutlicht. Die bayerischen Schüler erfuhren nun von der zunehmenden Multikulturalität und der steten Beschleunigung des Alltags in London. Lediglich auf das häufig schlechte Wetter sei noch Verlass (vgl. Abb. 4: Holl: 1946, S.70-71).

Wie anders aber dann waren die Schulbücher, die die Kinder der 1980er und 1990er für ihren Englischunterricht erhielten! Hier erlernte man die ersten Schritte in der Fremdsprache mit Hilfe einer fiktiven britischen Familie und deren Alltagserlebnissen. Es gab erste binationale Charaktere im Alter der Schüler, die die multikulturelle Realität britischer Großstädte greifbar werden ließen und zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten boten. Lehrtexte konnten auf von Muttersprachlern eingesprochenen Kassetten angehört werden, Farbfolien von Straßenszenen aus Großbritannien und den USA wurden durch Overheadprojektoren an die Klassenzimmerwände des Freistaats projiziert.

Inzwischen hat der gesellschaftliche und technologische Wandel weitere Spuren in Englischbüchern hinterlassen. Jenseits veränderter Ansätze auf den Feldern der Didaktik und Methodik hielten seit 2000 auch Patchworkfamilien, sprechende Roboter, Umweltschutzthemen, Globalisierungs- und Digitalisierungsthemen Einzug in die Lehrwerke der bayerischen Schülerinnen und Schüler der Unterstufe. Die Konstante zeigt sich im Wandel. Und dem „S“, das immer mitmuss. (B. Setzer)