Biologie: Das Gerippe oder wie werde ich die Leiche los – ein Einakter

Unser Skelett fein herausgeputzt (Foto Kb)

So ein Skelett fasziniert seit jeher Schülerinnen und Schüler, vor allem, wenn es sich um ein leibhaftiges handelt. Ein leichtes Gruseln ist zu spüren, wenn das Gerippe in den Raum kommt. Manche fragen, wie der Mensch wohl hieß, welches Alter und Geschlecht er hatte, warum ihn der Boandlkramer geholt haben könnte. Oft wird das Skelett gar mit einem Namen versehen, vor allem in den 5. Klassen oder wird kurzerhand mit Kappen und Ähnlichem quasi in die Gemeinschaft der Lebenden reintegriert.

So ein Skelett kann aber auch zum wahrhaftigen Problem werden, wie der folgende Einakter illustriert, der auf durchaus wahren Ereignissen basiert, auch wenn er eher an Karl Valentin und die Geschichte des Buchbinders Wanninger im gleichnamigen Hörspiel erinnern mag. Dieser wird, wie auch unser Herr W., als er eine Information einholen möchte, von Pontius zu Pilatus verwiesen. Von der Exclamatio am Ende des Hörspiels distanzieren sich die Verfasser dieser Zeilen als brave bayrische Beamte freilich doch: „Saubande, dreckade!“

Prolog

Es ist eine kleine Zäsur in der Fachschaft Biologie: Ein neuer Fachschaftsleiter ist installiert. Nennen wir ihn in Anlehnung an den Buchbinder doch Studienrat W. Er hat nun die Hoheit über die biologische Sammlung. Fleißig sichtet er die Bestände, räumt auf und um, reinigt grantelnd Vitrinen und Schubladen, öffnet grummelnd jedes Türl. Ganz hinten, ganz oben, in einem unbeschrifteten Schrank, entdeckt er eine Rarität, die ihn stutzen lässt: ein echtes menschliches Skelett – zerlegt, staubig, vernachlässigt. Für den Biologie-Unterricht angesichts der modernen Kunststoff-Alternative obsolet, geradezu unbrauchbar. Ethische und religiöse Erwägungen diktieren den Entschluss: Die Boandl sollen das Schulhaus verlassen. Würdig, aber freilich kostenlos. Nun beginnt die Reise des Studienrats W. Juristisch will er nichts falsch machen und fragt als Erstes bei den Profis für unliebsame menschliche Überreste an.

Erster und einziger Akt: zeitlicher Rahmen von drei Wochen

Szene 1: Biologie-Sammlung. Telefonat zwischen W. und Herrn Wachtmeister Dimpflmoser von der Polizeidienststelle Murnau.

W.: „Grüß Gott, Herr Dimpflmoser, ich hab hier am Gymnasium ein Skelett in Einzelteilen, augenscheinlich seit Jahren unberührt im Bio-Schrank. Können Sie mir bei der Ausmusterung behilflich sein?“

D.: „Hm. Ungewöhnlich. Es liegt keine Straftat vor, also sind Sie bei der Polizei falsch. Wenden Sie sich doch an die Kirche für eine Beerdigung.“

Szene 2: Biologie-Sammlung. Telefonat zwischen W. und dem Pfarramt Murnau.

Pf.: „Ja, Herr W., wir können das Skelett beerdigen. Sie haben eine Grabstelle und tragen die Beerdigungskosten? Möchten Sie es eher schlicht oder mit Requiem und Chor?“

W.: „Hmpf.“

(Glücklicherweise hat der Dienstherr für jeden Regierungsbezirk einen eigenen Fachreferenten, der bestimmt Rat weiß.)

Szene 3: Biologie-Sammlung. Blick auf W.s Dienst-Bildschirm und die geöffnete E-Mail des Fachreferenten.

Über die Absurdität ein Skelett loszuwerden: KI generiert mit Dall-e

F.: „Es gab da vor vielen Jahren mal einen Fall. Da hat die Biologie-Fachschaft in einer würdigen Gedenkfeier ihr Skelett im Schulgarten beerdigt. Überlegen Sie es sich und reden Sie mal mit Ihrem Schulleiter.“

W.: „Hmpf.“

Szene 4: Büro des Schulleiters. Chef sitzt am Schreibtisch, W. steht.

S.: „Bei uns auf dem Schulgelände? Der Markt Murnau ist Eigentümer. Kontaktieren´S des Rathaus, ob des in Ordnung geht.“

W.: „Hmpf.“

Szene 5: Biologie-Sammlung: Telefonat zwischen W. und dem Rathaus Murnau

R.: „Auf dem Schulgelände? Um Gottes Willen. Das haut doch wasserschutzrechtlich nicht hin. Wenn da bei Regen irgendwelche Keime in´s Grundwasser ausgewaschen werden. Fragen´S mal im Landratsamt an, was die meinen.“

W.: „Hmpf.“

Szene 6: Biologie-Sammlung. Telefonat zwischen W. und der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Garmisch-Partenkirchen.

L.: „Auf dem Schulgelände? Prinzipiell kein Problem. Aber wenn in 50 Jahren bei Baumaßnahmen ein Skelett ausgegraben wird, weiß keiner mehr Bescheid. Dann steht womöglich die Kripo auf der Matte. Rufen´S doch mal bei der Polizei an.“

W.: „Hmpf.“

Szene 7: Kaffeekammerl im Schulhaus. Gespräch zwischen W. und Englisch-Kollegen, dem stellvertretenden Landrat Dr. M.R.

W.: „Michi, dieses bluats Skelett… Bloß Scherereien hob i damit.“

R.: „Du, gib mir a Woch. Dann redn ma nomoi drüber.“

Szene 8: Lehrerzimmer, fünf Tage später. Gespräch zwischen Dr. R. und W.

R.: „I hob a paar Telefonate g´führt und a bissl Druck g´macht. Die Pflegeschule Garmisch-Partenkirchen würd des Skelett nehmen. (R. gibt W. einen Zettel.) Da hast a Telefonnummer. Mach an Termin aus, wann die des Skelett holen können.“

Eine Woche später werden die Skelett-Teile abgeholt – kostenlos. Würdige Weiterverwendung inklusive.

Epilog

Alte Mikroskope (KI generiert mit Dall-e)

Studienrat W. hat am anderen Ende seines Reiches ganz hinten, ganz unten in einem dauerversperrten Schrankerl was gefunden: verstaubte Mikroskope. Der meist brave bayrische Beamte sperrt das Schrankerl wieder zu und sinniert, wer seine Nachfolge antreten könnte.

Arthur Wöhnl und Markus Opitz